Nachzählung der Stimmen gilt als fast sicher
Wahlbetrug im entscheidenden "Swingstate" Ohio?
Von Carsten Schmiester, NDR-Hörfunkstudio Washington

"Keine Vorhersage möglich", zuckte Wolf Blitzer vom Nachrichtensender CNN in der Wahlnacht mit den Schultern, "das hat es so noch nie gegeben". Weder demokratisch Blau noch republikanisch Rot, der Bundesstaat Ohio blieb stundenlang unentschieden Grün, bevor in den Morgenstunden des 3. November das bis heute nur provisorische, aber wahlentscheidende Ergebnis veröffentlicht wurde: Mit rund 140.000 Stimmen eine hauchdünne Mehrheit für Bush, an die viele nicht glauben wollen.

Auch wenn die großen Sender und Zeitungen des Landes so tun, als ob nichts wäre - es brummt in Lokalblättern und im Internet vor Berichten und Gerüchten über mutmaßlichen Wahlbetrug. In der Nähe der Hauptstadt Columbus sollen sieben Mal mehr Stimmen für Bush gezählt worden sein als es Wahlberechtigte gibt. Im Wahlbezirk Warren County sollen sich Offizielle zur Stimmauszählung eingeschlossen haben, angeblich aus Gründen des Heimatschutzes: Bush siegte mit überraschender Deutlichkeit. In einem anderen Bezirk registrierten die elektronischen Wahlmaschinen 25 Millionen ungültige Voten, das Ergebnis wurde annulliert - Wählerstimmen aus Mahoning fielen unter den Tisch.

Es soll neu ausgezählt werden
Jetzt sollen alle Stimmen aus Ohio nachgezählt werden. Keine der großen Parteien will das, wohl aus Angst vor einem Desaster wie vor vier Jahren in Florida, doch David Cobb, hoffnungslos unterlegener Kandidat der Grünen, sieht das anders. Ihm steht das Recht zu, die Nachzählung zu verlangen, solange er 113.000 Dollar Gebühr zahlt. Das Geld sei da, so Cobb-Sprecher Blair Bobier im Radiosender "npr". "Es gibt viele Berichte über Unregelmäßigkeiten in Ohio", sagt Bobier, "wir wollen die Glaubwürdigkeit des Wahlsystems schützen." Spätestens Anfang Dezember muss Ohio das offizielle Wahlergebnis präsentieren, inklusive der nach Schätzungen rund 150.000 noch unbekannten "provisorischen Stimmzettel", die zurzeit geprüft werden. Dann wollen die Grünen die Neuauszählung beantragen. "Die Wahl 2000 war lächerlich, siehe Florida, genau so lächerlich wie das, was jetzt hier in Ohio passiert. Es gibt keine Chance, die Ergebnisse der elektronischen Wahlmaschinen zu kontrollieren, das muss sich vor der nächsten Wahl ändern", so Bobier.

Für Kerry wäre der nachträgliche Sieg ein AlbtraumMan will ein Signal setzen, erwartet aber nicht die Umkehr des Wahlergebnisses. Doch es kann auch niemand ausschließen, dass am Ende der Sieger von Ohio und damit der Sieger nach Wahlmännerstimmen - John Kerry heißt. So seltsam das klingt, das wäre ein Albtraum für ihn, denn George Bush hätte weiterhin deutlich mehr als drei Millionen Wählerstimmen Vorsprung. Bush würde Kerry, wenn der das Weiße Haus plötzlich doch noch für sich beanspruchte, genau den Vorwurf machen, der ihm vor vier Jahren selbst gemacht worden ist: Dass er sich am Willen des Volkes vorbei ins Amt gemogelt hat. Am besten, alles bleibt wie es ist, meint Kerrys Rechtsberater in Ohio, Daniel Hoffheimer, lässt die Hintertür aber doch einen winzigen Spalt offen: "Das Volk hat sich entschieden in Ohio. Es hat zwar Probleme gegeben, aber die sind weitestgehend gelöst. Andererseits: Wir haben den Staat natürlich weiter im Blick."

Stand: 17.11.2004 22:16 Uhr
Quelle: tagesschau.de/aktuell/meldunge…_THE_NAV_REF1_BAB,00.html