26.000 Tote

      Port-au-Prince - Die Auswirkungen des Tropensturms "Jeanne" in Haiti dürften noch verheerender sein als befürchtet. Fast der gesamte Norden des bitterarmen Karibikstaats ist überschwemmt, die viertgrößte Stadt, Gonaives, komplett überflutet, die zweitgrößte Insel, Ile de la Tortue, laut ersten Meldungen zur Gänze unter Wasser.
      Provisorische Zählung

      Mindestens 600 Menschen kamen nach provisorischen Zählung ums Leben. Schätzungen der Bergungsmannschaften zufolge ist es möglich, dass mehr als 1000 Menschen ertrunken oder von Erdrutschen erdrückt worden sind. Und sollte sich bewahrheiten, dass die Ile de la Tortue überflutet wurde, ließe sich die Tragödie kaum noch beschreiben. 26.000 Menschen leben auf der rund 180 Quadratkilometer (mehr als die vierfache Fläche von Wien) großen Insel; von ihnen fehlte bis Dienstagabend jedes Lebenszeichen.

      Als Mitarbeiter der UN-Stabilisierungsmission Minustah am Wochenende über die Region flogen, konnten sie die ehemalige Pirateninsel nördlich von Port-de-Paix nicht finden. Ministerpräsident Gérard Latortue zeigte sich erschüttert. Am Sonntag hatte er die Überschwemmungebiete überflogen und dabei nur noch einen "riesigen See" gesehen.

      Jedes Haus überflutet


      Am schlimmsten betroffen ist bisher Gonaives. Laut dem Regierungschef "gibt es kein Haus mehr, das nicht überflutet ist". Allein dort wurden im Krankenhaus 500 Leichen gezählt. Bei sinkenden Wasserständen würden vermutlich weitere Opfer gefunden, sagten die Rettungsmannschaften.

      Rund 80 Prozent der 100.000 Menschen stehen ohne Nahrung da. Die Vereinten Nationen wollten eine Tonne Medikamente einfliegen, das UN-Welternährungsprogramm kündigte Konvois mit Lebensmitteln und Wasser an. Mindestens 56 weitere Menschen kamen in Port-de-Paix ums Leben, 18 in Chansolme, 14 in Gros-Morne, neun in Pilate und acht in Ennery. In den Krisengebieten gilt der Notstand, für das gesamte Land eine dreitägige Staatstrauer.

      Haiti war in jüngster Zeit immer wieder von Katastrophen betroffen worden. In diesem Jahr drohte die Republik erneut in einen blutigen Bürgerkrieg zu stürzen. Wenige Monate später wurde der Südosten des Landes nach heftigen Regenstürmen überflutet, dabei kamen mehr als 1200 Menschen ums Leben.



      *hmm*